Die polnische GmbH: „Gehste mit, biste weg“? Ja und Nein – oder: die Haftung des Geschäftsführers für Verbindlichkeiten der GmbH

Die polnische GmbH: „Gehste mit, biste weg“? Ja und Nein – oder: die Haftung des Geschäftsführers für Verbindlichkeiten der GmbH

Guido Reker - So., 20.01.2019 - 12:00

Der gute alte Juristenmerksatz „GmbH: Gehste mit, biste weg!“ (also: hat die GmbH kein Vermögen, kann man gegen diese keine Verbindlichkeiten mehr eintreiben) gilt auch in Polen. Die Haftung ihrer Gesellschafter beschränkt sich auf die Leistung der Einlage. Anders sieht es mit der Haftung von Geschäftsführern aus!!

I. Ausgangslage

Der gute alte Juristenmerksatz „GmbH: Gehste mit, biste weg!“ (also: hat die GmbH kein Vermögen, kann man gegen diese keine Verbindlichkeiten mehr eintreiben) gilt auch in Polen. Auch die polnische „Spółka z ograniczoną odpowiedzialnością“ (wörtlich: Gesellschaft mit beschränkter Haftung; Abkürzung: „sp. z o. o.“) ist eine eigene Rechtspersönlichkeit, welche für in Ihrem Namen begründete Verbindlichkeiten allein mit ihrem Vermögen haftet. Die Haftung ihrer Gesellschafter beschränkt sich auf die Leistung der Einlage. 

II. Geschäftsführerhaftung

Anders sieht es mit der Haftung von Geschäftsführern aus!!

Dieser trägt eine Art Ausfallhaftung für Verbindlichkeiten der polnischen GmbH, die während seiner Zeit als (Mit-)Geschäftsführer begründet wurden. 

Dies gilt nicht nur für öffentlich rechtliche Forderungen (Steuern, Sozialbeiträge), sondern für jegliche Forderungen gegen die Gesellschaft (z.B. von Lieferanten, Dienstleitern, Geschädigten, etc.)

Diese Haftung besteht auch nach Ausscheiden aus der Geschäftsführung fort. Selbst seine Erben haften, wenn die Verbindlichkeit im Moment des Ablebens des Geschäftsführers bestand und während seiner „Amtszeit“ entstanden ist!

Von dieser sich der Geschäftsführer nur befreien kann, wenn er nachweist, dass:

  • rechtszeitig Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, Vergleichsverfahrens oder Restrukturisierungsverfahrens gestellt wurde, 
  • er für das etwaige Unterbleiben der obengenannten Anmeldung nicht die Schuld trägt, oder
  • der Gläubiger trotz unterbliebener Antragstellung keinen Schaden erlitten hat.

Dabei ist wichtig: die Haftung des Geschäftsführers wird vermutet! Für die haftungsausschließenden Umstände trägt er die Beweislast!!

III. Geltendmachung der Ausfallhaftung gegen den Geschäftsführer

Wie macht man als Gläubiger diese Haftung gegen noch amtierende oder ausgeschiedene Geschäftsführer geltend?

Erfolglose Vollstreckung gegen die Gesellschaft

Zunächst ist ein Vollstreckungstitel über die offene Forderung gegen die Gesellschaft zu erlangen. Dieser ist dann gegen die Gesellschaft zu vollstrecken. Bleibt die Vollstreckung erfolglos, stellt der Gerichtsvollzieher hierüber eine Bestätigung aus. 

Klage gegen den Geschäftsführer

Daraufhin ist die erfolglos vollstreckte Forderung gegen den Geschäftsführer einzuklagen. 

Die entsprechende  Klage ist recht einfach. In ihr ist nur darzulegen und zu beweisen:

  • Bestehen der Forderung gegen die Gesellschaft
  • deren Titulierung sowie 
  • deren erfolglose Vollstreckung gegen die GmbH 

Der Geschäftsführer (oder dessen Erben – s.o.) muss/müssen dann die oben bezeichneten Einwendungen darlegen und beweisen, dass:

  • rechtszeitig Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, Vergleichsverfahrens oder Restrukturisierungsverfahrens gestellt wurde, 
  • er für das etwaige Unterbleiben der obengenannten Anmeldung nicht die Schuld trägt, oder
  • der Gläubiger trotz unterbliebener Antragstellung keinen Schaden erlitten hat.

Dieser Vortrag ist recht schwierig, insbesondere wenn man

  • als ausgeschiedener Geschäftsführer  keinen Zugriff auf die Buchhaltung hat oder 
  • die insolvenzreife GmbH einfach hat „vor sich hindümpeln“ lassen, ohne einen Insolvenzantrag zu stellen. 

Zwangslöschung der GmbH

Es kommt recht häufig vor, dass GmbHs einfach aufgegeben werden, ohne deren Abwicklung im Liquidation- oder Insolvenzverfahren zu unternehmen. Die Gesellschaft gibt dann häufig keine Finanzunterlagen (Bilanz, Geschäftsführungsbericht) bei dem Handelsregistergericht ab, so dass es früher oder später zu einer Zwangslöschung der GmbH kommt. 

Selbst in diesen Fall kann man noch gegen die (auch ehemaligen) Geschäftsführer vorgehen. 

IV. Verjährung

Die Ansprüche des GmbH-Gläubigers verjähren innerhalb von 3 Jahren ab Kenntniserlangung von der Erfolglosigkeit der Vollstreckung gegen die Gesellschaft, spätestens 10 Jahre nach Entstehung des Schadens bei dem Gläubiger. In extremen Fällen sogar erst nach 20 Jahren. 

V. Quintessenz

Für Gläubiger: 

Auch wenn die Gesellschaft vermögenslos ist und Vollstreckungsversuche erfolglos bleiben, hat man gute Aussichten, die Personen in Haftung zu nehmen, die im Zeitpunkt der Entstehung der Verbindlichkeit Geschäftsführer der GmbH waren.

Für Geschäftsführer: 

Die Haftung von Geschäftsführern einer polnischen GmbH für Verbindlichkeiten der GmbH ist scharf. Jeder, der einen Geschäftsführerposten übernimmt, sollte darauf achten, dass die GmbH stets Ihre Verbindlichkeiten zahlt. 

Gerade ausländische – womöglich sprachunkundige – Geschäftsführer, die u.U. als „Aufpasser“ oder aus vergütungstechnischen Gründen in die Geschäftsführung einer polnischen GmbH gesetzt werden, sollten sich dieses Risikos bewusst sein.