Polnische Gerichte und Behörden: Fristwahrende Zustellung von Schriftstücken

Polnische Gerichte und Behörden: Fristwahrende Zustellung von Schriftstücken

Guido Reker - Do., 21.02.2019 - 12:00

In Polen gelten für die fristwahrende Zustellung von Schriftstücken andere Regelungen als in Deutschland, wobei sich diese noch unterscheiden, je nachdem, ob es um Fristen im Verwaltungsverfahren, verwaltungs-, zivil- oder strafgerichtlichen Verfahren handelt.

Rechtslage in Deutschland

In Deutschland müssen fristwahrende Schreiben oder Schriftsätze bis zum Ablauf der gesetzlich, behördlich oder gerichtlich angeordneten Frist (Verjährungsfrist, Frist zur Verteidigungsanzeige, Klageerwiderungsfrist, Widerspruchs- und/oder Einspruchsfrist, Abgabefrist, etc.) (spätestens 23:59 Uhr des Tages des Fristablaufs) bei Gericht oder der Behörde eingegangen sein. Hierzu halten Gerichte und viele Behörden sogenannte Nachtbriefkästen für fristgebundene Schriftstücke vor.

Zudem können in Deutschland Schreiben und Schriftsätze bei Gericht und Behörden per Telefaxschreiben eingereicht werden, die ebenfalls bis zum Ablauf der Frist (spätestens 23:59 Uhr des Tages des Fristablaufs) bei Gericht oder Behörde eingegangen sein müssen. 

Rechtslage in Polen

In Polen gelten andere Regelungen, wobei sich diese noch unterscheiden, je nachdem, ob es um Fristen im Verwaltungsverfahren, verwaltungs-, zivil- oder strafgerichtlichen Verfahren handelt.

Innerhalb des polnischen Staatsgebietes: 

In sämtlichen vorgenannten Verfahren gelten folgende Grundsätze:

Eingang bei Gericht/der Behörde am Tag des Fristenablaufs

Genau wie in Deutschland gelten in Polen Fristen als gewahrt, wann das fristwahrende Schriftstück bis zum Tage des Fristablaufs im Original eingeht (z.B. persönliche Einreichung oder Einreichung durch Boten oder Eingang im normalen Postlauf).

Zu beachten ist aber, dass zumindest am letzten Tag der zu wahrenden Frist die Einreichung/der Eingang  innerhalb der Geschäftszeiten des Gerichts/der Behörde erfolgen muss. 

Polnische Gerichte und Behörden unterhalten keine Nachtbriefkästen oder sonstige Briefkästen, welche einen fristwahrenden Einwurf eines Schriftstücks bis 23:59 Uhr des Tages des Fristablaufs erlauben. 

Aufgabe bei der polnischen Post bis zum Ende des Tages des Fristablaufs

Ist eine fristwahrende physische Einreichung eines fristwahrenden Schriftstücks bei Gericht oder der Behörde bis zum Fristablauf  nicht möglich, verbleibt nur die Zustellung im Versendungswege.

Hier gilt in sämtlichen vorgenannten Verfahren der Grundsatz, dass eine Frist gewahrt ist, wenn der Schriftsatz/das Schreiben (Widerspruch, Einspruch, sonstiges Rechtsmittel, Klage, Klageerwiderung, Berufung, Kassation, Schriftsatz, etc.) im Original bis zum Ende des  Tage des Fristablaufs (dh vor 24 Uhr) bei einem Postamt der polnischen Post (Poczta Polska S.A.) aufgegeben wurde. 

Für die Fristwahrung ist also das Datum des Poststempels entscheidend. In größeren polnischen Städten sind deshalb einige Postämter 24 Stunden an 7 Wochentagen geöffnet. 

Es wird dringend empfohlen, dass fristwahrende Schriftstück per Einschreiben mit Absendebestätigung aufzugeben, um die rechtzeitige Absendung beweisen zu können!!

Bei fristwahrender Aufgabe des Schriftstücks bei der polnischen Post kommt es für die Fristwahrung nicht darauf an, wann das Schriftstück bei Gericht oder Behörde eingeht.

Fristwahrung durch Versendung aus dem Ausland

Wie kann ein Schriftstück aus dem Ausland zuverlässig fristwahrend an ein polnisches Gericht oder eine polnische Behörde übermittelt werden? 

Hier ist  nach Verfahrensart zu unterscheiden:

1. Zivilgerichtliches Verfahren

Im zivilgerichtlichen Verfahren gilt eine Frist als gewahrt, wenn das fristwahrende Schriftstück vor Fristablauf bei einem offiziellen Postamt eines Mitgliedstaates der Europäischen Union  (nicht Schweiz oder EFTA-Staaten: siehe unten) aufgegeben wurde. 

Die Möglichkeit der fristwahrenden Übergabe an ein polnisches Generalkonsulat besteht hier nicht (siehe unten).

2. Verwaltungsgerichtliches Verfahren

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gilt eine Frist als gewahrt, wenn das fristwahrende Schriftstück vor Fristablauf bei einem offiziellen Postamt eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder der EFTA Staaten Lichtenstein, Island und Norwegen aufgeben wurde.

Zudem gilt eine Frist gewahrt, wenn ein fristwahrendes Schriftstück einem polnischen Konsulat übergeben wird (gilt auch für Staaten außerhalb der EU und EFTA, in denen ein polnisches Generalkonsulat betrieben wird). 

3. Strafgerichtliches Verfahren

Im strafgerichtlichen Verfahren gilt eine Frist als gewahrt, wenn das fristwahrende Schriftstück vor Fristablauf bei einem offiziellen Postamt eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (nicht Schweiz oder EFTA Staaten: siehe oben) aufgeben wurde.

Zudem gilt eine Frist gewahrt, wenn ein fristwahrendes Schriftstück einem polnischen Generalkonsulat übergeben wird (gilt auch für Staaten außerhalb der EU, in denen ein polnisches Generalkonsulat betrieben wird). 

4. Verwaltungsverfahren

Im Verwaltungsverfahren gilt eine Frist nicht allein deshalb als gewahrt, wenn das fristwahrende Schriftstück vor Fristablauf bei einem ausländischen offiziellen Postamt aufgegeben wurde. Im Falle des Versandes aus dem Ausland tritt Fristwahrung erst in dem Moment ein, wenn das fristwahrende Schriftstück im Zuge der internationalen Versendung an die offizielle polnische Post übergeben wird. Da aufgrund z.T. langer internationaler Postlaufzeiten unsicher ist, wann ein fristwahrendes Schriftstück an die polnische Post übergeben wird, besteht eine erhebliche Unsicherheit, ob die Übergabe an die polnische Post noch vor Ablauf der zu wahrenden Frist geschieht. 

Im Verwaltungsverfahren besteht ebenfalls die Möglichkeit, zu Fristwahrung das fristwahrende Schriftstück bis zum Fristablauf einem polnischen Generalkonsulat zu übergeben.

Übermittlung des fristwahrenden Schriftstücks per Telefax

Die Übersendung fristwahrender Schriftstücke an Behörden oder Gerichte ist in den polnischen Verfahrensordnungen nicht vorgesehen und wird auch von der polnischen Rechtsprechung nicht umfassend zugelassen.

Es gibt nur ein Urteil des polnischen Obersten Gerichtshofs für das zivilgerichtliche Verfahren, welches die Einlegung eines Rechtsmittels per Telefax als grundsätzlich zulässig erachtet. Allerdings soll als Zugangszeitpunkt nicht der Zeitpunkt des Eingangs des Faxes auf dem Empfängerfaxgerät angesehen werden, sondern der Zeitpunkt, an dem der Gerichtsmitarbeiter die Eingangsbestätigung auf dem Telefax anbringt. Dies ist zufallsabhängig, so dass bei kurz vor Ablauf der zu wahrenden Frist abgesandten Telefaxen deren Eingang frühestens erst am Folgetag (sofern dieser ein Werktag ist) notiert werden kann. Die Frist wäre dann versäumt!

Zudem wäre, falls ein Gericht ein Übermittlung per Fax als fristwahrend anerkennt, dass Original des gefaxten Dokuments bei dem Gericht innerhalb einer gerichtlichen Frist nachzureichen. Spätestens dann muss das fristwahrende Schriftstück im Original innerhalb der gesetzten Frist bei Gericht eingehen oder dessen Sendung bei der polnischen Post oder bei einem  offiziellen Postamt eines EU-Landes vor Ablauf der gesetzten Frist aufgegeben werden. 

Die Fax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftstücks an eine polnische Behörde oder ein polnisches Gericht ist also als sehr unsicher sowohl hinsichtlich der Wirksamkeit der Einreichung als auch hinsichtlich des Nachweises des Zugangszeitpunkts.

Hinweis: Wahrung zivilrechtlicher Fristen

Die obigen Ausführungen gelten nicht für die Wahrung zivilrechtlicher Fristen wie z.B. Einhaltung einer Kündigungsfrist, Widerrufsfrist o.ä. In diesen Fällen kommt es auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs an (genau wie in Deutschland).