Verfolgung von Schadensersatzansprüchen im polnischen Strafverfahren

Verfolgung von Schadensersatzansprüchen im polnischen Strafverfahren

Guido Reker - Do., 27.06.2019 - 12:00

Eine Alternative zum Verfahren vor den Zivilgerichten ist die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Schädiger verbunden mit der Stellung eines Antrags auf Schadenswiedergutmachung.

Im Geschäftsverkehr – gerade auch im grenzüberschreitenden – kommt es zu Straftaten gegen das Vermögen (Betrug, Unterschlagung, Untreue). Bei diesen fällt es dem Geschädigten gewöhnlich schwer, den Schädiger zu belangen. Im Verfahren vor den Zivilgerichten trägt der Geschädigte die umfängliche Darlegungs- und Beweislast und zunächst einmal die Kosten des Verfahrens. Diese kann er  im Obsiegensfalle ganz oder teilweise bei dem Schädiger eintreiben, wenn dieser dann noch über pfändungsfähiges Vermögen verfügt.

Zudem sind die Mittel der Sachverhaltsermittlung beschränkt (forensic audit; Befragung von Zeugen, Auffinden von schriftlichen Beweisen) und bleiben weiter hinter denen der staatlichen Ermittlungsbehörden (Polizei; Staatsanwalt) zurück. 

Der Geschädigte, der die Wiedergutmachung seines Vermögensschadens erstrebt, kämpft also  in erheblichem Umfang „bergauf“. 

Eine Alternative ist die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Schädiger verbunden mit der Stellung eines Antrags auf Schadenswiedergutmachung. Im Falle seiner strafrechtlichen Verurteilung wird der Schädiger dann auch zur Leistung eines Betrags zur Schadenswiedergutmachung verurteilt. Dieser Teil des strafgerichtlichen Urteils unterliegt der normalen zivilrechtlichen Vollstreckung, kann als wie ein zivilgerichtliches Urteil gegen den Schädiger durch Gerichtsvollzieher vollstreckt werden.

Zur Sicherung des Wiedergutmachungsanspruchs können sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht einen Arrest/Beschlagnahme von Vermögenswerten des Schädigers vornehmen. 

Vereitelt der Schädiger die Durchsetzung des Wiedergutmachungsanspruchs vorsätzlich (z.B. schafft vollstreckungsfähige Vermögensgegenstände zur Seite) so kann deshalb eine etwaige Bewährung widerrufen werden. Der Schädiger riskiert also zudem, dass die Freiheitsstrafe gegen ihn vollstreckt wird, und er „einfährt“. 

Nicht verschwiegen werden soll, dass auch die „strafrechtliche Alternative“ Aufwand erfordert. Es ist keinesfalls damit getan eine Strafanzeige mit etwa erforderlichem Strafantrag bei der deutschen Polizei einzureichen in der Hoffnung, dass diese mit den polnischen Behörden etwas unternimmt. Dies passiert gerade bei komplizierten Vermögensdelikten, bei denen ein Großteil der Korrespondenz in einer Fremdsprache (Polnisch) ist, nur sehr selten.

Auch reicht es sehr selten aus, eine Strafanzeige in deutscher Sprache an polnische Ermittlungsbehörden zu richten. Auch in diesen Fällen ist der Verfolgungseifer nicht gerade beeindruckend.

Erfolgversprechend ist es hingegen, sich als Geschädigter durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Dieser hat eine professional vorbereitete Strafanzeige bei den örtlich zuständigen polnischen Behörden einzureichen. Die Anzeige sollte detailliert und mit Beweisantritten (Hinweis auf zu vernehmende Zeugen, sicherzustellende Unterlagen und Datenträger, einzuholende Gutachten, etc.) versehen sein. In komplizierten Betrugs- oder Untreuefällen sollte ein sog. „forensic audit“ durchgeführt werden. Bestimmte Beratungsfirmen haben Abteilungen, die auf betriebsinterne Nachforschungen in Betrugs- oder Untreuefällen spezialisiert sind.

Nach Anzeigeeinreichung ist durch den Rechtsanwalt des Geschädigten sicherzustellen, dass der Anzeige Folge geleistet wird. Gerade wenn ausländische Geschädigte auf örtliche Wirtschaftstätige treffen, ist bei den Staatsanwaltschaften nicht immer spontaner Ermittlungselan anzutreffen. Der Rechtsanwalt sollte den Zeugenvernehmung der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren beiwohnen und Beweisanträge stellen. Er hat alles zu unternehmen, um die Sache zur Anklage zu bringen. 

Diese Vorgehensweise hat zudem zivilrechtlichen Vorgehen den Vorteil, dass den Ermittlungsbehörden andere Mittel zur Wahrheitsfindung zur Verfügung stehen, als einer Partei im Zivilverfahren. So kann die Staatsanwaltschaft/das Strafgericht nicht aussagewillige Zeuge – auch aus dem Ausland - vorführen lassen, Dokumente bei dem Schädiger und Dritten sicherstellen, Gespräche abhören und über die Polizei Nachforschungen veranlassen. Und das alles auf Staatskosten!!

In der Praxis ist es allerdings so, dass der – zumal ausländische – Geschädigte das Ermittlungsverfahren und das folgende Strafverfahren intensive von seinem Rechtsanwalt als Geschädigtenvertreter begleiten lassen muss, damit bei dem Verfahren etwas herauskommt.